Rehabilitation und Teilhabe

Unter Rehabilitation wird ein Prozess verstanden, der durch das Zusammenwirken verschiedener Leistungen und Maßnahmen darauf zielt die umfassende individuelle Teilhabe von Menschen mit einer Behinderung sowie einer drohenden Behinderung - einschließlich chronisch kranker sowie pflegebedürftiger Menschen - in allen gesellschaftlichen Bereichen sicherzustellen. Dabei geht es nach der umfassenden Definition der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) sowohl um die Stärkung von Fähigkeiten als auch um Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe. Rehabilitation kann damit als der gesamte Prozess zur Herstellung, Wiederherstellung und Erhaltung vollumfänglicher Teilhabe verstanden werden.

Paradigmenwechsel – Von der Fürsorge zur Teilhabe

Maßgeblich ausgehend von den Akteur*innen der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung der 1980er Jahre und deren Forderungen wurde im deutschen Rehabilitationssystem ein Paradigmenwechsel eingeleitet: Weg von einem lange vorherrschenden Fürsorgegedanken hin zu einer Haltung, die Chancengleichheit, selbstbestimmte Teilhabe, Barrierefreiheit und Inklusion in allen gesellschaftlichen Bereichen im Sinne einer Menschenrechtspolitik in den Mittelpunkt stellt. Die im Jahr 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) unterstreicht diese Ziele eindrucksvoll. Der 2001 mit der Einführung des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe) begonnene Entwicklungsprozess, wird durch die UN-BRK sowie mit der Verabschiedung und stufenweisen Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) fortgeführt.

Vor diesem Hintergrund ist das deutsche Rehabilitationssystem insgesamt darauf ausgerichtet, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern sowie Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Das deckt sich mit dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etablierten bio-psycho-sozialen Gesundheitsmodell und der auf diesem basierenden Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF).

Das bio-psycho-soziale Gesundheitsmodell und die ICF

Das bio-psycho-soziale Modell legt einen Schwerpunkt auf die Wechselwirkungen zwischen Person und Umwelt bei einem vorliegenden Gesundheitsproblem. Eine funktionale Störung ist somit nicht mehr als eine Eigenschaft oder ein Defizit einer Person zu betrachten. Der Fokus liegt vielmehr auf dem Zusammenspiel oder Wechselwirkung zwischen der biologischen Beeinträchtigung, dem Aktivitäten- und Teilhaberadius sowie den förderlichen oder hinderlichen Kontextfaktoren der Umwelt und der Person selbst. Damit rückt die soziale Dimension von Gesundheit und Krankheit auf die gleiche Ebene wie biologische und psychische Aspekte. Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe sind damit umfassend auf die Folgen von Krankheit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgerichtet. Sie folgen einem subjekt- und lebensweltorientierten sowie einem positiv ausgerichtetem Leitbild. Mögliche Krankheitsfolgen, wie beispielsweise eine Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Chronifizierung oder Erwerbsminderung, zu verhindern oder zu minimieren gewinnen gerade auf dem Hintergrund des Wandels des Krankheitsspektrums und der gesellschaftlichen Rahmung an Bedeutung.

    Der Begriff Behinderung nach dem SGB IX

    Konsequenterweise wurde mit dem BTHG im SGB IX ein neuer Behinderungsbegriff eingeführt, der alle Dimensionen der ICF berücksichtigt. § 2, Abs.1, Satz 1 SGB IX definiert: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können“.

      Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit

      Das allgemeine Ziel gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit ist die Förderung sozialer Teilhabe von erkrankten oder von Erkrankungen bedrohten und behinderten Menschen und ihrer Bezugspersonen in ihrer Lebenswelt sowie die Verhinderung und Bewältigung sozialer Probleme, die aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen entstehen bzw. zu gesundheitlichen Störungen führen. Sie hat ein biopsychosoziales Grundverständnis von Gesundheit, Krankheit und Behinderung und setzt mit ihrem Person-in-Environment-Ansatz an der Schnittstelle zwischen Individuum und Umwelt bzw. Gesellschaft an.

      Die Soziale Arbeit in Krankenhäusern und Einrichtungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, in Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten, in Beratungsstellen und Selbsthilfebüros trägt durch Beratung und Ressourcenerschließung in erheblichem Maße dazu beitragen, Krankheit und Krankheitsfolgen anzunehmen, zu verarbeiten und das Leben damit möglichst selbstbestimmt zu organisieren. Eine Kernaufgabe gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit ist die psychosoziale und sozialrechtliche Beratung und Begleitung. Die Interventionen Sozialer Arbeit zielen während des Behandlungs- und Rehabilitationsprozesses auf die Wiedergewinnung von Autonomie in der alltäglichen Lebensführung ab. Merkmale dabei sind, dass die Beratung und der Zugang neutral, niedrigschwellig und ressourcenorientiert erfolgt. Die Broschüre Produkt- und Leistungsbeschreibung der Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen bietet eine Überblick.

      Das bio-psycho-soziale Modell der ICF ist für die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit handlungsleitend, nicht zuletzt auch deshalb, weil die theoretischen Grundlagen der Sozialen Arbeit mit ihrer ganzheitlichen Betrachtungsweise nahtlos anschlussfähig zu diesem Modell sind. Denn es ermöglicht die Integration der medizinischen und sozialen Faktoren bei Gesundheitsproblemen, Behinderungen und chronischer Erkrankung. Unter einem rein medizinischen Blickwinkel ist Behinderung eine negative Wechselwirkung zwischen einer Person mit einem Gesundheitsproblem und ihrer Funktionsfähigkeit. Entsprechend der ICF ist es darüber hinaus zwingend auch die negative und positive Wechselwirkung zwischen einer Person mit gesundheitlichen Einschränkungen und ihren Kontextfaktoren auf die Teilhabe in allen für sie wichtigen Lebensbereichen zu betrachten. Damit ist der klassische Zugang der Sozialen Arbeit umschrieben, in dem eine Behinderung nicht einfach als Folge einer bestimmten Krankheit oder Schädigung verstanden wird, sondern Bedingungen der Umwelt sowie auf die Person bezogene können zu einer möglichen Behinderung im Sinne einer eingeschränkten Teilhabe führen.

      Fachkräfte der Sozialen Arbeit bringen ihre Kompetenz im beschriebenen Sinne umfassend in allen Arbeitsfeldern in der Rehabilitation und Teilhabe ein und sind sowohl an den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben und Bildung als auch an den Leistungen zur sozialen Teilhabe beteiligt.

        Schwerpunkte der DVSG

        Seit vielen Jahren beteiligen sich im Interesse einer gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit Vertreter*innen der DVSG für den Schwerpunkt Rehabilitation und Teilhabe. Die Expert*innen bringen ihre Expertise bundesweit beispielsweise durch die kontinuierliche Mitwirkung bei interdisziplinär besetzten Gremien, bei Forschungsprojekten, in der Entwicklung von Standards oder der Veröffentlichung von Beiträgen ein. Schwerpunkte der DVSG liegen im Zugang zu Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe, in der Sozialen Arbeit in der medizinischen Rehabilitation sowie in der Medizinisch-Beruflichen Orientierung in der Rehabilitation (MBOR). Darüber hinaus sind verschiedene Forschungsprojekte unter Beteiligung der DVSG umgesetzt und beantragt, die auch die berufliche Rehabilitation in den Fokus rücken.

          Ansprechpersonen in der DVSG

          Alexander Thomas

          Gesamtvorstand DVSG
          Diplom-Sozialpädagoge
          Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH
          Leitung Kompetenzzentrum Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und Teilhabe Nord
          Marlistr. 107
          23566 Lübeck
          Tel. 0451 585934718
           Alexander Thomas

          Weiterführende Hinweise zur medizinischen Rehabilitation

          Strukturqualität von Reha-Einrichtungen - Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung

          Neben der Prozess- und Ergebnisqualität ist die Strukturqualität eine Dimension, um Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit einer Rehabilitationseinrichtung zu gewinnen. Strukturqualität ist dabei gekennzeichnet durch bauliche, technische und personelle Rahmenbedingungen. Die Broschüre steht als kostenfreier download zur Verfügung. Konkrete Angaben zur Anzahl der vorzuhaltenden Stellen der Sozialen Arbeit sind in der Broschüre ersichtlich.

            Rahmenempfehlungen zur Einrichtung von Stellen der Sozialen Arbeit in ambulanten und stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation

            Drei Dokumente wurden im Mai 2020 von der DVSG aktualisiert: Empfehlungen für die Stellen-, die Aufgaben- und die Arbeitsplatzbeschreibung für Sozialarbeiter*innen/Sozialpädagog*innen, die in einer Einrichtung der medizinischen Rehabilitation tätig sind. Nur für DVSG-Mitglieder zugänglich Login

              Entlassmanagement in der medizinischen Rehabilitation

              Rehabilitand*innen, die über die Gesetzliche Krankenversicherung in die stationäre medizinische Rehabilitation gelangen, haben einen Anspruch auf ein Entlassmanagement. So ist es in dem Rahmenvertrag Entlassmanagement von stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtungen nach §§ 40 Abs. 2 Satz 6 und 41 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit 39 Abs. 1a SGB V für Rehabilitand*innen der gesetzlichen Krankenversicherung (Rahmenvertrag Entlassmanagement-Reha) vom 01.02.2019 geregelt. Nach wie vor bestehen in der Umsetzung viele Fragen. Die DVSG hat im Jahr 2019 eine Zusammenstellung häufig gestellter Fragen erarbeitet. Diese werden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

                Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation - MBOR

                Ein übergreifendes Ziel der medizinischen Rehabilitation in der Leistungsträgerschaft der Deutschen Rentenversicherung ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Daher müssen medizinische Rehabilitations- und berufliche Teilhabeleistungen eng miteinander verzahnt werden.

                MBOR wird als eine spezifische Form der medizinischen Rehabilitation verstanden, die sich ausdrücklich auf die erwerbsbezogenen Anforderungen und die notwendigen Leistungsfähigkeiten und persönlichen Voraussetzungen der Rehabilitand*innen beziehen. Mehr dazu

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