Studie zur Arbeit der Jugendämter bei sexuellem Kindesmissbrauch

Kindern und Jugendlichen, die sexualisierte Gewalt erfahren, muss schnell und wirksam geholfen werden. Dafür ist das Wissen über sexuellen Kindesmissbrauch bei den Fachkräften in Jugendämtern entscheidend. Die Erfahrungen von Betroffenen geben wertvolle Hinweise zur Verbesserung von Schutz und Hilfe. Jugendämter sollten auch erwachsene Betroffene unterstützen und ihnen Akteneinsicht ermöglichen.

Betroffene und Angehörige haben der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs immer wieder geschildert, wie sie das Handeln des Jugendamts erlebt haben. Die Kommission hat diese Berichte wissenschaftlich auswerten lassen. Ergänzend wurden dazugehörige Jugendamtsakten analysiert und mit langjährigen Expert*innen aus der Fachpraxis vertiefende Interviews geführt. 

Eine zentrale Erkenntnis der heute veröffentlichten Studie ist, dass in einigen Fällen Hilfe möglich gewesen wäre, aber ausgeblieben ist. Betroffene Kinder oder Jugendliche waren teilweise grundsätzlich bereit, sich einer Fachkraft des Jugendamtes anzuvertrauen. Es gelang aber nicht, das dafür notwenige Vertrauen aufzubauen: Dazu hätte es Einzelgespräche ohne die Eltern, einen geschützten Rahmen und mehr Zeit für Gespräche gebraucht. Zudem war für viele Betroffene das Jugendamt erst einmal mit Angst verbunden. Diese Ängste waren geprägt durch Medienberichte, durch das soziale Umfeld, aber auch durch Täter*innen mit dem Ziel, bewusst eine Drohkulisse aufzubauen: Kinder würden aus den Familien genommen und sie kämen ins Heim, wenn sie mit dem Jugendamt sprechen. Auch ein Mangel an fachlichen Kenntnissen war ausschlaggebend dafür, dass Fälle sexualisierter Gewalt nicht erkannt wurden und Kindern und Jugendlichen nicht geholfen wurde. Umfragen mit Fachkräften in Jugendämtern sowie aktuelle Fallanalysen deuten darauf hin, dass diese Probleme auch heute noch bestehen. Fachkräfte müssen kontinuierlich dazu befähigt werden, die Situation eines betroffenen Kindes zu erkennen und richtig einzuschätzen, um gegebenenfalls schützend eingreifen zu können.

Um Abläufe und Strukturen bei der Hilfe und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und Fachkräfte weiterzubilden, das zeigt die Studie, können die Erfahrungen von erwachsenen Betroffenen äußerst wertvoll sein. Jugendämter sollten Betroffene bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf Aufarbeitung unterstützen, ihnen Einsicht in ihre Jugendamtsakte gewähren und ihnen, wenn die Betroffenen dies wünschen, die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen sowie ihr damaliges Erleben zu schildern. Die Betroffenen haben gegenüber der Aufarbeitungskommission immer wieder deutlich gemacht, wie wichtig für sie der spätere Einblick in ihre Akten ist. Akten sollten daher nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen einem Archiv angeboten, die Betroffenen über ihre Akteneinsichtsrechte informiert und sie bei der Sichtung und Auswertung des Akteninhalts begleitet werden.

Die Studie wird ergänzt durch vielfältige Empfehlungen für Rahmenbedingungen, die es braucht, damit Jugendämter schützend und unterstützend tätig werden und Hilfeverläufe verbessern können.

zum Download der Studie