Bedarfsorientierte gesundheitsbezogene Beratung durch Soziale Arbeit

Die Beratung spielt in der Sozialen Arbeit eine zentrale Rolle. Die Rolle der Sozialen Arbeit wird in der Beratung leider noch nicht zentral und selbstverständlich genug im Gesundheitswesen ermöglicht. Sozialarbeiter*innen sind in unterschiedlichen Settings des Sozial- und Gesundheitswesens etabliert. Auch im ambulanten Kontext, z. B. in Beratungsstellen, leistet die Soziale Arbeit Beratung und Unterstützung bei sozialen, beruflichen und materiellen Problemlagen sowie psychischen Belastungen, führt sie gesundheitsedukative Maßnahmen durch und nimmt eine leistungserschließende und leistungskoordinierende Funktion wahr. Soziale Arbeit sollte jedoch eine größere und selbstverständlichere Rolle im ambulanten Beratungskontext des Gesundheitswesens spielen. Allerdings fehlen nach wie vor regelhafte Finanzierungsmodelle, um den Zugang zu psychosozialen Beratung auch im Gesundheitswesen bedarfsorientiert anzubieten.

Hintergrund

Im ambulanten Bereich existiert ein breites Spektrum an gesundheitsbezogenen Beratungsstellen. Diese leisten psychosoziale Beratung und Begleitung von Menschen mit akuten oder chronischen Erkrankungen sowie infolgedessen auftretenden Behinderungen, Pflegebedürftigkeit oder Teilhabestörungen. Die existierende Beratungslandschaft ist durch ein Nebeneinander von Bundes-, Landes- und kommunalen Trägern und durch segmentierte Zuständigkeiten des Gesundheits- und des Sozialwesens gekennzeichnet. Es fehlt insgesamt ein geregelter und bedarfsdeckender Zugang für gesundheitlich beeinträchtigte Personen zu gesundheitsbezogener Beratung. Ein wesentlicher Grund dafür ist die bislang regional sehr verschiedene bis nicht vorhandene Regelfinanzierung dieser Angebote.

Das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2018 hat exemplarisch für den psychiatrisch-psychotherapeutischen Bereich festgestellt, dass im ambulanten Sektor eine sinnvolle und erforderlich Unterstützung niedergelassener Ärzt*innen durch Sozialarbeiter*innen weitgehend fehle. Empfohlen wird nicht nur für die Versorgung psychisch kranker Menschen, sondern insgesamt im ambulanten Bereich, die Etablierung von lokalen Gesundheitszentren. Der Sachverständigenrat weist explizit darauf hin, dass Soziale Arbeit in diese Zentren einbezogen werden sollte, da diese einen erheblichen Teil der Koordinationsarbeit übernehme. Gerade in Bezug auf die Beratung und Erschließung von Leistungen, die einen über die verschiedenen Sozialgesetzbücher hinausgehenden Fokus erfordern (längerfristige Pflege, Wiedereingliederung in das Arbeitsleben, Wohnsituation).

Standpunkt der DVSG

Die DVSG hat bereits im Dezember 2013 Anforderungen an die Weiterentwicklung der ambulanten gesundheitlichen Beratung formuliert. Diese muss sich aus der Perspektive der ratsuchenden Menschen stärker an den lebensweltlichen Herausforderungen orientieren, die aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen resultieren, und nicht an politischen Zuständigkeiten, Systemlogiken oder Sektorengrenzen. In dem Positionspapier der DVSG wird deutlich gemacht, dass Finanzierungsmodelle fehlen, die einen systematischen und geregelten Zugang zur psychosozialen ambulanten Beratung eröffnen. Die DVSG bemängelt, dass es kein klares politisches Konzept gibt, wie ein flächendeckendes, abgestuftes Beratungsnetz aussehen kann, das den vielfältigen ambulanten Beratungsbedarfen gerecht wird. Erforderlich sind entsprechende Regelungen zur Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den Sozialversicherungsträgern  (Positionspapier „Anforderungen an die Weiterentwicklung der ambulanten gesundheitsbezogenen Beratungslandschaft“)

Aus Sicht der DVSG sind ambulante Beratungsangebote kontinuierlich, bedarfsgerecht, angemessen und regelfinanziert zur Verfügung zu stellen. Im Kern geht es darum, die Bürger*innen in ihrem Selbstbestimmungsrecht zu stärken und ihre Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen. Ambulante Beratungsstellen sind bisher weitestgehend auf das fürsorgefinanzierte Sozialwesen beschränkt. Grundsätzlich ist aber für eine sinnvolle sektorenübergreifende Versorgung sowohl ambulant als auch stationär eine qualifizierte psychosoziale Beratung sowie Steuerungs-, Vernetzungs- und Koordinationsleistungen erforderlich. Es bedarf daher Beratungsangebote, die - unabhängig ob sie im Gesundheits- oder im Sozialwesen angesiedelt sind - sinnvoll verzahnt und finanziellen abgesichert sind. Der Gesetzgeber ist gefordert, notwendige Reformschritte für flächendeckende psychosoziale Beratungsstrukturen unter maßgeblicher Einbeziehung der Kompetenzen Sozialer Arbeit einzuleiten.

Fazit

Die soziale und gesundheitliche Ungleichheit führt zu vielfältigen Benachteiligungen – auch in Deutschland. Jedoch werden den psychosozialen Faktoren nach wie vor zu wenig Bedeutung als relevante Einflussgröße in der Entstehung von Erkrankungen, der Aufrechterhaltung von Gesundheit, der Förderung von Gesundheitskompetenz und der Krankheitsverarbeitung geschenkt. Dies, obwohl in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft der Zusammenhang von sozialen Faktoren, Teilhabe und Gesundheit bekannt ist. Die Forderung nach verstärkter ambulanter Versorgung und Behandlung (vgl. SVR Gesundheit 2018) darf und sollte sich nicht nur auf den medizinischen Bereich beschränken. Das greift zu kurz. Für eine zeitgemäße bedarfsgerechte gute Beratung, die auch durch Soziale Arbeit geleistet wird, sind Anpassungen notwendig, die sich auf verschiedene Rahmenbedingungen und Aspekte beziehen. Grundsätzlich sind psychosoziale Beratung sowie Steuerungs-, Vernetzungs- und Koordinationsleistungen für das Gesundheits- und Sozialwesen erforderlich. Dazu braucht es eine verbindliche Absprache zwischen Beteiligten.

Ausblick und Lösungsansätze

Die regelhafte Finanzierung ambulanter Krebsberatungsstellen ist sehr zu begrüßen. Denn damit wird eine etablierte Beratungsstruktur endlich als Regelangebot ermöglicht. Gelungen ist beispielsweise die verbindliche Verankerung der Sozialen Arbeit für Sozialdienste auch in zertifizierten onkologischen Zentren (Mehr dazu). Aber auch dort lässt die Umsetzung noch zu wünschen übrig, denn für die Finanzierung müssen bislang zentrumsspezifische Lösungen von den Beteiligten erarbeitet und realisiert werden. Wie diese aussehen und wie oft diese getroffen werden ist flächendeckend nicht bekannt. Das SGB V müsste auch an dieser Stelle nachgerüstet werden.