Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021

Als Teil der Fachkräftekampagne #dauerhaftsystemrelevant hat die DVSG Fragen an die im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien zu ihrem Wahlprogramm gestellt. Die Antworten auf unsere acht Fragen stellen wir hier ungekürzt zur Verfügung, damit Sie sich selbst ein Urteil bilden können:

1. Frage: Psychische Gesundheit

Die Zahl der psychischen Erkrankungen steigt kontinuierlich, durch die Pandemie wird dieser Trend noch verschärft. Welche Maßnahmen werden Sie kurz-, mittel- und langfristig ergreifen, um der stetigen Zunahme psychischer Erkrankungen zu begegnen?

Die Corona-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens. Besonders eklatant sind die Auswirkungen dort, wo sie zu einer Zunahme der psychischen Erkrankungen führen. Wir als CDU und CSU werden uns intensiv der Bewältigung der sozialpsychologischen Folgen der Pandemie widmen. Deshalb wollen wir uns auch künftig dafür einsetzen, die bereits mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz eingeleitete Reduzierung der Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung weiter voranzutreiben. Um die Patientinnen und Patienten genau dort gut zu erreichen, wo der Bedarf hoch ist, wollen wir nach wie vor auf eine Bedarfsplanung setzen, die von flexiblen Instrumenten und sachgerechten Lösungen vor Ort geprägt ist. Dort wo es notwendig ist, sollte die Zahl der Sitze für niedergelassene Psychotherapeuten erhöht werden. Das gilt insbesondere für das psychotherapeutische Behandlungsangebot für Kinder und Jugendliche. Auch der Ausbau von weiteren niedrigschwelligen Unterstützungsangebote, etwa die Heranziehung von Supervisoren, kommt in Frage. Grundsätzlich lassen wir uns dabei auch davon leiten, allen Bürgerinnen und Bürgern einen digitalen oder einen wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg zum Psychotherapeuten zu ermöglichen.

In der Tat wachsen der Umfang und die Bedarfe der Versorgung von psychisch kranken Menschen in unserer modernen und leistungsorientierten Gesellschaft stetig. Was wir tun können, sind flächendeckend niedrigschwellige Versorgungsangebote zu etablieren und die Prävention für psychische Gesundheit zu stärken. Nur mit auch kurzfristigem Zugang zu Unterstützung im Alltag, Beratung und Therapie kann einer Chronifizierung vorgebeugt werden.
Die SPD hat in den vergangenen zwei Legislaturperioden in der Regierung - gegen den Widerstand der Unionsparteien - zahlreiche Maßnahmen zur Sicherstellung und substanziellen Weiterentwicklung der Versorgung durchgesetzt. Wir möchten hier nur ausschnitthaft an die Reform der Bedarfsplanung und die Schaffung zusätzlicher Niederlassungsmöglichkeiten von Psychotherpeut*innen durch den G-BA, die Einführung von Psychotherapeutischen Sprechstunden oder die Modernisierung der Psychotherpeut:innenausbildung erinnern. Diesen Weg werden wir in erneuter Regierungsverantwortung konsequent fortsetzen.
Wir werden auch die ambulante und integrierte psychotherapeutische Versorgung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene stärken, damit sie niedrigschwellig und ohne lange Wartezeiten allen zugänglich ist.
Gerade die Corona-Pandemie hat uns jüngst gezeigt, welche Potentiale in einer ortsungebundenen telemedizinischen Versorgung auch von psychisch kranken Patient*innen stecken. Diese Potentiale werden wir weiter heben und niedrigschwellige Angebote ausbauen.

Wir Freie Demokraten wollen die Wartezeiten auf einen Therapieplatz reduzieren, den Ausbau von Therapieplätzen fördern, Prävention und Aufklärung stärken sowie die Ausbildung der psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterentwickeln. Die Anzahl der Kassensitze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wollen wir deutlich erhöhen. Ebenso wollen wir mehr Studienplätze für Psychologie und Psychotherapie schaffen. Schulpsychologische Beratungsangebote wollen wir ausbauen. Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter sollen an jeder Schule verfügbar sein. Schließlich fordern wir eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen, denn die psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe. Durch die Förderung von psychischer Gesundheit und Prävention wird die Gesellschaft sensibilisiert und Einzelnen kann schnell geholfen werden.

Die Förderung der psychischen Gesundheit ist für DIE LINKE ein besonders wichtiges Thema. Viele Lebensbedingungen sind von zunehmendem Stress geprägt, zum Beispiel die Arbeitsbelastung aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen, Belastungen wegen der Prekarisierung von Beschäftigung bis hin zu sich verfestigender Armut ganzer Bevölkerungsgruppen. Gerade in der Arbeitswelt muss der psychischen Gesundheit der gleiche Stellenwert beigemessen werden wie dem klassischen Arbeitsschutz. Wir fordern seit langem eine Anti-Stress-Verordnung, die hier verbindliche Regeln zum Schutz der Beschäftigten aufstellt. DIE LINKE fordert zudem, dass bei der Gestaltung der Lebenswelten von Kita über Verkehrsplanung bis Parkanlage die Gesundheit, insbesondere die psychische Gesundheit, mitgedacht und -gefördert wird. Dafür fordern wir einen Präventionsfonds, der unter anderem aus Mitteln des Bundes, der Krankenkassen und der Arbeitgeber gesundheitsförderliche Projekte in den Kommunen finanziert.

Wir GRÜNE setzen vor allem auf Prävention und gesundheitsförderliche Arbeits- und Lebensbedingungen, um einer Zunahme psychischer Erkrankungen zu begegnen. Zudem sehen wir auch die Notwendigkeit einer besseren Versorgung im Falle psychischer Erkrankungen, um eine frühzeitige und bedarfsgerechtere Versorgung zu erreichen. Dazu gehören auch eine stärkere Vernetzung der Versorgung und die Einbindung weiterer Professionen in die Versorgung. Dies wollen wir insbesondere durch regionale Gesundheitszentren erreichen.

2. Frage: Psychische Gesundheit

Wir halten es für erforderlich, dass im Kontext der psychiatrischen Arbeit Fachkräfte Sozialer Arbeit in Maßnahmen der Prävention, Akutversorgung, Rehabilitation und Nachsorge flächendeckend beteiligt und rechtlich verankert werden. Wie stehen Sie dazu, wie würden Sie unsere Forderung unterstützen?

Die Fachkräfte der Sozialen Arbeit nehmen bereits heute eine wichtige Rolle bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten etwa im ambulanten aber auch im stationären Gesundheitsversorgungsbereich ein. Der Einsatz dieser Fachkräfte ist auch in der psychiatrischen Versorgung etabliert, etwa im Hinblick auf die sozialrechtliche Beratung oder die nachstationäre Behandlungssituation. An diesen Strukturen und Möglichkeiten wollen wir als CDU und CSU festhalten. Dabei wollen wir uns grundsätzlich davon leiten lassen, dass der Einsatz dieser Fachkräfte ihren erlernten Tätigkeitsbereichen entsprechen. Hier muss aus unserer Sicht nach wie vor das Wohl der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen.

Bei der Betreuung psychisch kranker Menschen kommt es vielfach nicht nur auf das unmittelbare psychotherapeutische Angebot an, sondern auch auf eine gezielte Unterstützung im Alltag. Oft sind gerade eine aufsuchende Unterstützung oder Stabilisierung des Patienten/der Patientin in dessen/deren Setting vielversprechend. Wir haben aber auch andere Patient*innen, bei den es unmittelbar darauf ankommt, eine Distanz zu ihrem Lebensumfeld aufzubauen, um substanzielle Fortschritte zu machen. Maßnahmen der Prävention, Akutversorgung, Rehabilitation bis hin zur Nachsorge schließen vielfältige unterstützende Akteure ein, die derzeit noch auf zum Teil verschiedenen Finanzierungsgrundlagen operieren. Wir setzen hier vor allem auf die Etablierung von Komplexleistungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, wie sie derzeit noch im G-BA für schwer psychisch kranke Patient*innen erarbeitet werden. Derartige Formen der Zusammenarbeit versprechen generell eine adäquate Versorgung von psychisch kranken Menschen und sind für uns als SPD ein Leitmotiv.

Wir wollen eine verstärkte Aufklärung über psychische Gesundheit an Schulen. Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter sollen an jeder Schule verfügbar sein. Außerdem fordern wir eine Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Entstigmatisierung psychischer Krankheiten. Die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen führt dazu, dass Menschen zu spät eine Behandlung beginnen, unter Diskriminierung leiden und langsamer genesen. Aufklärung erleichtert es den Betroffenen, sich frühzeitig Hilfe zu holen und so schneller zu genesen. Bei der medizinischen Akutversorgung ist wichtig, dass diese nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft erfolgt.

Ja, das halten wir für sinnvoll. Insbesondere Prävention und Rehabilitation sind die Felder, in denen wir uns von einer Mitarbeit von Fachkräften Sozialer Arbeit positive Effekte versprechen. In der akuten Behandlung selbst sehen wir da weniger Ansatzpunkte, allerdings muss die Begleitung der Patient*innen nach einer akuten stationären Behandlung bereits im Krankenhaus geplant werden, um wirksam zu sein. Die stationsäquivalente Behandlung (StäB) hingegen im heimischen Setting wurde von Anfang an in multiprofessionellen Teams unter Einbezug der Sozialen Arbeit geplant. Hier würden uns zur Weiterentwicklung der StäB sehr Ihre Erfahrungen und Best-Practice-Modelle interessieren. In der ambulanten psychiatrischen Behandlung sollte eine Integration der Sozialen Arbeit angegangen werden.

Wir sind für eine Weiterentwicklung der Kompetenz- und Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen. Wir GRÜNE unterstützen daher Ihren Vorschlag. Voraussetzung ist, dass die jeweiligen Fachkräfte in der Aus- und Weiterbildung die notwendige Kompetenz erworben haben. Hierzu wollen wir entsprechende berufsrechtliche Regelungen schaffen. Darüber hinaus streben wir den verstärkten Aufbau von ambulant-stationären Gesundheitszentren an, in denen verschiedene Berufe – darunter auch Fachkräfte der sozialen Arbeit – unter einem Dach zusammenarbeiten können.

3. Frage: Sozialdienst im Krankenhaus

Fachkräfte der Sozialen Arbeit sind notwendig, um die Beratungsbedarfe von Patient*innen abzudecken und lebensweltorientiert (nachstationäre) Lösungen zu entwickeln/organisieren. Wie werden Sie sich für ein verbindliches Fachkräftegebot Sozialer Arbeit (mind. Bachelor) in Krankenhäusern einsetzen?

Als CDU und CSU wollen wir an dem Ziel einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Grund- und Regelversorgung durch unsere Krankenhäuser festhalten. Dabei sind die entsprechenden Fachkräfte so einzusetzen, dass diese Ziele auch tatsächlich erreicht werden können. In vielen Bereichen funktioniert das bereits heute unter anderem mit einem geeigneten Einsatz von Fachkräften im Bereich der stationären, aber auch nachstationären Versorgung sehr gut. Wir fordern deshalb, die für die Sicherstellung einer bedarfsgerechten stationären Versorgung der Bevölkerung im Rahmen der Krankenhausplanung zuständigen Bundesländer auf, die Versorgungsangebote in den Kliniken unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Versorgungsbedarfs und der Einbeziehung von Fachkräften der Sozialen Arbeit angemessen weiterzuentwickeln.

Die SPD hat sich sehr lange und beharrlich für einen verbindlichen Rechtsanspruch für Patient*innen auf ein strukturiertes und interdisziplinäres Entlassmanagement im Krankenhaus eingesetzt. Es ist ganz entscheidend der SPD zu verdanken, dass dieser Rechtsanspruch gesetzlich verankert werden konnte – mit dem Ziel, Versorgungsbrüche insbesondere nach einem stationären Aufenthalt zu vermeiden. Mit dem Rahmenvertrag über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung haben der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft diesen Rechtsanspruch konkretisiert. Das Entlassmanagement wird danach durch das Krankenhaus in multidisziplinärer Zusammenarbeit sichergestellt. Fachkräfte der Sozialen Arbeit schließt das ebenso ein wie medizinische und therapeutische Fachkräfte, das Pflegepersonal, die Krankenhausapotheker*innen und die weiteren am Entlassmanagement beteiligten Berufsgruppen. Die Kompetenz der Sozialen Arbeit ist dabei unverzichtbar, beispielsweise wenn es um die sozialrechtliche Beratung von Patient*innen zu Fragen oder Ansprüchen anderer Leistungssysteme jenseits von Gesundheit und Pflege geht. Die SPD wird sich dafür einsetzen, dass diese Kompetenz auch zum Tragen kommt.

Wir Freie Demokraten wollen allen Menschen eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sichern. Um jeder Patientin und jedem Patienten die bestmögliche Versorgung zu garantieren, brauchen Krankenhäuser ausreichend Personal und Ressourcen. Die konkrete Personalplanung der Krankenhäuser sollte aber nicht von der Bundespolitik vorgegeben werden.

Im Krankenhaus können akute somatische und psychiatrische Krankheiten behandelt werden. Was das Krankenhaus oft bisher nicht leisten kann, ist die Verbesserung der Lebensbedingungen, die aber notwendig wäre, um erneute Erkrankungen und Einweisungen zu verhindern. Die Zusammenarbeit der Krankenhäuser mit den kommunal organisierten Trägern der Sozialen Arbeit ist verbesserungsfähig. Wir könnten uns sehr gut vorstellen, in die Anforderungen zur Strukturqualität der Krankenhäuser zwingend die Soziale Arbeit zu berücksichtigen. Dies muss natürlich abhängig gemacht werden von der Größe und von dem Leistungsspektrum des Krankenhauses. Hier streben wir klare Anforderungen über Anzahl des vorzuhaltenden Personals sowie der notwendigen Qualität der Ausbildung an (Personalbemessung).

Für die Arbeit mit Menschen braucht es ausreichend Zeit und gute Arbeitsbedingungen. Ein wesentlicher Baustein ist dafür genügend Personal. Wir GRÜNE wollen durch verbindliche Personalbemessungsinstrumente – auch in der Langzeitpflege –, mehr Mitsprache bei der Arbeitszeit und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie attraktive Arbeitsbedingungen schaffen, damit mehr Menschen gerne in sozialen Berufen arbeiten.

4. Frage: Sozialdienst im Krankenhaus

Es kommt oft zu Versorgungslücken im ambulanten Bereich, die zu unnötigen Krankenhausaufenthalten führen. Inwiefern werden Sie sich um die Anbindung von Patient*innen an Ambulanzen und Notaufnahmen sowie einen Leistungsanspruch auf Soziale Arbeit im ambulanten Bereich des Gesundheitswesens bemühen?

An dem System einer ambulanten und stationären Versorgung wollen wir grundsätzlich festhalten, wenngleich wir unseren bereits eingeschlagenen Weg einer stärkeren Vernetzung dieser Versorgungsbereiche fortsetzen wollen. Dabei hat sich beispielsweise der Ausbau von Portalpraxen an Kliniken bewährt, um die Notaufnahmen zu entlasten. Außerdem wollen wir digitale Versorgungsketten ausbauen, um Informationslücken zwischen Praxis und Krankenhaus zu beseitigen und dadurch etwa unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Wir unterstützen weitere Umstrukturierungen, etwa in Bezug auf den ambulanten Versorgungsbereich, wenn das zu einer Verbesserung der Versorgungssituation und insbesondere einer Entlastung der dort tätigen Akteure führt.

In der Tat ist es leider so, dass wir noch immer die längst bekannten Versorgungsbrüche zwischen ambulanter, stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung zu beklagen haben. Eine bessere Kooperation und Verzahnung der verschiedenen Versorgungsangebote sind vor allem über die nach wie vor bestehenden Sektorengrenzen hinweg dringend erforderlich. Die SPD tritt dafür ein, die Versorgungsstrukturen so umzubauen, dass Patient*innen in ihrem Mittelpunkt stehen. Gute Vorschläge dazu liegen seit langem auf dem Tisch. Sie waren mit der CDU/CSU aber bisher nicht umsetzbar. Das betrifft auch die dringend notwendige Reform der Notfallversorgung. Die psychosoziale und sozialrechtliche Beratung von Patient*innen hat in einem patientenzentrierten Versorgungssystem einen wichtigen Stellenwert. Mit Blick auf den geforderten Leistungsanspruch für psychosoziale und sozialrechtliche Beratung im ambulanten Bereich gegenüber der GKV dürfen aber einerseits die bereits bestehenden vielfältigen Beratungsangebote und andererseits die Finanzierungsverantwortung der unterschiedlichen Kostenträger nicht außer Acht bleiben.

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient die beste Versorgung erhält. Dafür muss die Gesundheitsversorgung künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Wir wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln. Den Rettungsdienst wollen wir modernisieren und die Notfallversorgungsstrukturen bedarfsgerechter und vernetzter gestalten. Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. Die Bedürfnisse des ländlichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen durch entsprechende Programme berücksichtigt werden. Wir lassen uns weiterhin vom Grundsatz „ambulant vor stationär“ leiten.

Wir setzen uns für die Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten durch erfahrenes Pflegepersonal ein. Wir wollen diese Kompetenzen dauerhaft und rechtssicher bei den Pflegefachkräften verankern. Die Substitution und Delegation von definierten ärztlichen Leistungen an Pflegefachkräfte, vor allem mit akademischer Ausbildung, soll unter sicheren Rechts- und Haftungsverhältnissen ermöglicht werden. Damit tragen wir der Situation im Arbeitsalltag Rechnung und werten den Beruf auf.

Wir wollen eine Versorgung aus einer Hand und ein berufsübergreifendes Arbeiten fördern. Regionalen Gesundheitszentren bilden wichtige Schnittstellen zu anderen Versorgungsbereichen wie Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Suchthilfe und weiteren Angeboten. Sie sollen auch präventiv und gemeinwesensorientiert arbeiten, gerade in Bezug auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Voraussetzungen von Gesundheit. Verschiedene neue Projekte in Deutschland verstehen sich explizit als Stadtteilgesundheitszentren (z.B. Poliklinik Veddel im Hamburg und das Gesundheitskollektiv in Berlin). Hier geht es nicht nur um die Behandlung erkrankter Menschen, sondern auch um Gesundheitsförderung und Prävention in der Region. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der aufsuchenden Sozialarbeit spielt hier eine große Rolle, ebenso die Zusammenarbeit mit der kommunalen Verwaltung und anderen Gesundheitsberufen sowie der Altenpflege. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einem umfassenden Verständnis von Gesundheit, das auch die soziale Dimension berücksichtigt und der Integration der Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen. Insbesondere in diesem Verständnis von Gesundheitsversorgung kann soziale Arbeit eine sehr wichtige Rolle spielen.

Seit einigen Jahren wird verstärkt über so genannte Patient*innen-Lotsen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert. Wir sehen hier ein wichtiges Instrumentarium, um Versorgungslücken und -brüche insbesondere auch an den Sektorengrenzen zu vermeiden, ein besseres Case-Management und eine bessere Beratung zu unterstützen. Dies ist auch ein wichtiges künftiges Tätigkeitsfeld für Fachkräfte der sozialen Arbeit. Für den Erfolg von Versorgungsprozessen ist die Einbindung der Patient*innen und ggf. ihrer Angehörigen von großer Bedeutung. Wir sind für einen Leistungsanspruch im SGB V. Dieser könnte beispielsweise im §140a des SGB V geregelt werden.

5. Frage: Sozialdienst im Krankenhaus

Es braucht eine bundeseinheitliche, regelhafte Finanzierungsgrundlage der Leistungen Sozialer Arbeit im Krankenhaus, die sich auch auf die Tätigkeit der Anbindung von Patient*innen an Ambulanzen sowie den Bereich der Notaufnahmen bezieht. Welche dies-bzgl. Maßnahmen werden Sie ergreifen?

Die interne Organisation und der Einsatz von unterschiedlichen Fachkräften fällt in den jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Kliniken bzw. der Krankenhausträger. Von Seiten der Bundespolitik geben wir zwar Rahmenvorgaben vor, etwa im Hinblick auf die Einhaltung von Qualitätsstandards oder in Bezug auf die Einhaltung von Pflegepersonaluntergrenzen. Darüberhinausgehende Vorgaben zur Personalplanung finden hingegen nicht statt. Das DRG-System sorgt für eine ausreichende Finanzierungsgrundlage auf der Seite der Leistungsfinanzierung. Hinzu kommen Zusatzentgelte für besonders aufwändige Leistungen, die keinen direkten Bezug zur Fallpauschale haben. Grundsätzlich wollen wir als CDU und CSU weiterhin an dem Anspruch von Versicherten auf ein Versorgungsmanagement, insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche gemäß § 11 Absatz 4 SGB V, festhalten. Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung auch das Entlassungsmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach einer Krankenhausbehandlung gem. § 39 Absatz 1a SGB V.

Die Bedeutung einer qualifizierten Sozialberatung in den Krankenhäusern und deren angemessenen Finanzierung steht für die SPD außer Frage. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Die SPD wird die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Sozialdienste in Krankenhäusern, insbesondere § 112 SGB V, überprüfen und gesetzgeberischen Handlungsbedarf beraten.

Wir Freie Demokraten fordern eine nachhaltige Verbesserung der Investitionsfinanzierung für maximalversorgende und kleinere spezialisierte Krankenhäuser. Nur so können wir die bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger sicherstellen. Höhere Qualität muss durch das Vergütungssystem belohnt werden. Die Strukturreform im stationären Sektor muss verantwortungsvoll weiterentwickelt und Fehlanreize für eine Überversorgung sowie ein Überangebot an Krankenhausleistungen müssen bereinigt werden. Eine Ungleichbehandlung von privaten, öffentlichen und konfessionellen Trägern lehnen wir genauso entschieden ab wie eine Planungshoheit der Krankenkassen für die Versorgungsstrukturen.

Es braucht tatsächlich nicht nur im Bereich Sozialer Arbeit eine solide Finanzierungsgrundlage, sondern eine Reform der Krankenhausfinanzierung insgesamt. Wir sprechen uns für Selbstkostendeckung statt DRGs aus; damit keine gegenteiligen Anreize zu wenig Personal und schlechter Bezahlung bestehen (vgl. BT-Drucksache 19/26168, Antrag DIE LINKE. "Systemwechsel im Krankenhaus - Gemeinwohl statt Kostendruck und Profite"). Den Bereich der Notaufnahmen heben Sie hier völlig zu Recht hervor. Denn dort kommen viele Patient*innen an, die keine stationäre Aufnahme benötigen und auf die ambulante Versorgung verwiesen werden. Wenn die Soziale Arbeit also nur für die aufgenommenen Patientinnen und Patienten zuständig wäre, würden viele Menschen, denen gut geholfen werden könnte, "unter dem Radar" bleiben.

Wir GRÜNE wollen die Vorgaben des § 112 SGB V insbesondere zur Rahmenvereinbarung von GKV-SV und DKG verbindlicher ausgestalten. In diese Rahmenvereinbarung sollen auch konkrete bundesweite Finanzierungsregeln zu Leistungen Sozialer Arbeit im Krankenhaus aufgenommen werden. Außerdem halten wir eine Reform der Notfallversorgung für notwendig, die zu einer besseren Finanzierung und einer besseren Versorgung bei Notfällen führt. Nötig ist eine Ergänzung der Fallpauschalen um eine fallzahlunabhängige Finanzierung der Betriebskosten von Notfalleinrichtungen. Auch dies soll dazu führen, dass die Leistungen Sozialer Arbeit im Krankenhaus verlässlicher finanziert werden.

6. Frage: Ältere Menschen

Die Förderung sozialer Teilhabe muss stärker auch ältere Menschen einbeziehen. Die Soziale Arbeit kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Was werden Sie unternehmen, um die Tätigkeit Sozialer Arbeit für diese Zielgruppe stärker rechtlich als Leistungsanspruch zu verankern?

Wir als CDU und CSU wollen eine soziale Teilhabe für alle sicherstellen. Dabei sehen wir die Förderung sozialer Teilhabe als einen wichtigen Aspekt der Gesundheitsprävention. Für uns sind die gezielte Gesundheitsförderung und Prävention in jedem Lebensalter von entscheidender Bedeutung. Damit diese Ziele vor Ort auch gut und effektiv umgesetzt werden können, haben wir den Kommunen mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Ausrichtung der unter anderem pflegerischen Versorgungsangebote oder der Angebote vor Ort, die sich gezielt an ältere Menschen richten, im Rahmen der Versorgungsverträge ermöglicht. Wir unterstützen die Krankenkassen, ihren Versicherten qualitätsgesicherte Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention in ihrer Nähe zu vermitteln und diese zu bezuschussen. Die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Präventionsgesetz sind vor Ort in Teilen unterschiedlich erfolgt. Alle Kommunen haben jedoch die Möglichkeit bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entsprechende Fördermittel des GKV-Bündnisses für Gesundheit zu beantragen. In dieser Wahlperiode haben wir die Grundlage dafür geschaffen, es den Krankenkassen zu erleichtern, durch den Innovationsfonds geförderte Versorgungsinnovationen auf freiwilliger Basis in Selektivverträge zu überführen.

 

Gerade in unserer älter werdenden Gesellschaft, in der zudem viele ältere Menschen allein leben, sieht die SPD das große Potential der Sozialen Arbeit in der Altenhilfe. Die Dienste der Altenhilfe decken ein großes Spektrum ab, das von Beratungsstellen über Rehabilitation, Suchtprävention, der Versorgung von Obdachlosen bis hin zur Pflegeberatung und Krankenhaussozialarbeit reicht. Aus Sicht der SPD ist es wichtig, diese große Bandbreite der Sozialen Arbeit für ältere Menschen zu erhalten und auszubauen. Bei der Frage der Verankerung eines gesetzlichen Leistungsanspruchs zu Sozialer Arbeit muss deshalb u.a. geprüft werden, ob damit die Vielfalt der Angebote ausreichend berücksichtigt wird. Ziel sollte ein Hilfesystem sein, dass Angebote der verschiedenen sozialrechtlichen Unterstützungssysteme auch jenseits von Gesundheit und Pflege aufeinander abstimmt, für das aber eben heute auch unterschiedliche Kostenträger Verantwortung übernehmen. Wir verstehen Altenhilfe als einen Instrumentenkasten, mit dem wir die unterschiedlichen Lebensverhältnisse älterer Menschen berücksichtigen wollen. Die Koordination professioneller und ehrenamtlicher Versorgung von hilfebedürftigen Menschen ist eine komplexe Aufgabe, die vor Ort – unter Beachtung der vorhandenen Strukturen – gemeistert werden muss.

Die soziale Teilhabe älterer Menschen ist für uns als Freie Demokraten für ein gutes gesellschaftliches Miteinander unabdingbar. Älteren Menschen muss Teilhabe in allen Bereichen des sozialen Lebens ermöglicht werden.

Deshalb fordern wir die vollständige und umfassende Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, denn barrierefreie Mobilität ist Bewegungsfreiheit. Von ihr profitieren ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Familien mit Kindern und letztlich wir alle, denn Einschränkungen der Mobilität erfährt zeitweise jede und jeder Einzelne. Darüber hinaus fordern wir mehr barrierefreien oder -armen Wohnraum in Bestand und Neubau. So wollen wir Menschen ermöglichen, möglichst lange selbstbestimmt in ihrem gewohnten Umfeld leben zu können.

Außerdem wollen wir ein zweites Bildungssystem schaffen, mit dem sich Menschen auch im Ruhestand unbürokratisch weiterbilden können. Ältere Menschen sollen auch in Alten- oder Seniorenwohnheimen Zugang zum schnellen Internet haben. Um digitale Teilhabe für alle Altersgruppen und eine intuitive Bedienbarkeit für alle Internetnutzenden gleichermaßen zu ermöglichen, wollen wir öffentliche Stellen verpflichten, ihre digitalen Angebote standardmäßig barrierearm und idealerweise barrierefrei anzubieten.

Wir wollen ein eigenständiges Teilhabegesetz für Senior*innen, das den Rechtsanspruch auf volle soziale Teilhabe, zum Beispiel den Anspruch auf barrierefreies Wohnen und wohnortnahe Gesundheitsversorgung im Alter festschreibt und die Kommunen dafür in die Pflicht nimmt. Es soll die bisherigen Leistungen und Angebote aus Paragraf 71 SGB XII aufnehmen und unter den Aspekten der Selbstbestimmung und Selbstermächtigung weiterentwickeln.

Erstrebenswert ist unter anderem ein infrastrukturell erschlossenes Wohnumfeld mit genügend Versorgungs- und Gemeinschaftszentren, das zur aktiven Teilnahme und Teilhabe einlädt, soziale Nähe fördert und Isolation vorbeugt. DIE LINKE befürwortet aber auch präventive Hausbesuche für ältere und alte Menschen als freiwillig nutzbares Angebot. Wir wollen diese Besuche themenübergreifend mit Beratungsleistungen aus einer Hand verbinden, feste Ansprechpersonen, ausgestattet mit Kompetenzen, Unterstützung auch praktisch einzuleiten. Pflegestützpunkte und Sozialverbände könnten die vermittelnde Plattform und als kommunales Angebot sollen diese Besuche gebührenfrei sein.

Wir GRÜNE setzen uns auch für ein Bundesprogramm lebenswerte und inklusive Quartiere für alle Generationen ein. Den Grundgedanken eines besseren Miteinanders für Jung und Alt beinhaltet auch das Konzept des Netzwerks „WHO Global Network of Age-friendly Cities and Communities“ (AfC), das wir unterstützen und für seine Weiterverbreitung sorgen. Es geht um einen generationenfreundlichen Ansatz auch für ältere Menschen in Stadt und Land und im digitalen Raum. Den wollen wir mit einem Programm fördern, bei dem Ansprechstellen und Gemeindezentren über altersgerechtes Wohnen, Weiterbildungsangebote, Pflege und soziale Sicherung sowie Möglichkeiten, sich im Dorf oder im Stadtteil zu engagieren, informieren. Hierbei ließe sich die Soziale Arbeit mit ihrer Expertise äußerst sinnvoll einbinden.

7. Frage: Pflegebedürftige Menschen

Bislang wurde Pflegebedürftigkeit vorrangig im Kontext von Medizin und Pflege betrachtet. Zunehmend rücken auch soziale Aspekte von Pflegebedürftigkeit in den Fokus. Inwiefern planen Sie die rechtliche Verankerung und Finanzierung von Fachkräften der Sozialen Arbeit für diese Zielgruppe?

Bereits heute leisten die Fachkräfte der Sozialen Arbeit im Hinblick auf die sozialen Aspekte von Pflegebedürftigkeit einen entscheidenden Beitrag. Dazu gehören nicht nur die Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, sondern auch die Maßnahmen zur Förderung der sozialen Teilhabe etwa von älteren Bürgerinnen und Bürgern. Hinzu kommen psychosoziale Aspekte, die eine immer größere Rolle spielen. Wir werden auch weiterhin die Unterstützungsmaßnahmen vor Ort sowie den Einsatz von qualifizierten Fachkräften in diesem Bereich fördern. Das sollte aus unserer Sicht auch etwa im Bereich der Beratungsstellen oder der Krisendienste erfolgen. Unabdingbar sollte dabei eine enge Verzahnung der einzelnen Sozialversicherungszweige sein.

Pflegebedürftige haben gemäß § 7 a SGB XI einen Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine Pflegeberaterin bei der Auswahl und Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen sowie sonstigen Hilfeangeboten, die auf die Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf ausgerichtet sind. Zur Pflegeberatung gehört auch das Erstellen und Überwachen eines individuellen Versorgungsplans mit den im Einzelfall erforderlichen Sozialleistungen und gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen oder sonstigen medizinischen sowie pflegerischen und sozialen Hilfen. Die Pflegeberatung erfordert und umfasst demnach Kompetenz in der Sozialen Arbeit. Die Pflegekassen setzen dafür entsprechend qualifiziertes Personal ein, insbesondere Pflegefachkräfte, Sozialversicherungsfachangestellte oder Sozialarbeiter mit der jeweils erforderlichen Zusatzqualifikation. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen hat Richtlinien zur Durchführung der Pflegeberatung und Empfehlungen zur erforderlichen Anzahl, Qualifikation und Fortbildung von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern erlassen.

Pflegebedürftigkeit kann jede und jeden treffen – ob durch Unfall, Krankheit oder im Alter. Dann vertrauen wir auf eine menschliche und qualitativ hochwertige Pflege. Allerdings haben wir in Deutschland einen dramatischen Mangel an Pflegefachkräften, die dadurch oftmals überlastet sind und den eigenen Ansprüchen an ihre Arbeit nicht gerecht werden können. Das ist frustrierend und führt nicht selten zu Burn-out und zur Berufsaufgabe. Wir Freie Demokraten wollen dem entgegenwirken und wieder mehr Zeit für Zuwendung ermöglichen – durch einen umfassenden Bürokratieabbau, bessere Arbeitsbedingungen und die Nutzung digitaler Potentiale im Pflegebereich. Wichtig ist uns dabei vor allem eines: Die beruflich Pflegenden an zentraler Stelle in die Erarbeitung der nötigen Reformen einzubinden und so ihre fachliche Expertise zu nutzen.

Inwiefern Fachkräfte der Sozialen Arbeit hier eingebunden werden können, ist zu prüfen. Wichtig ist, dass die Rahmenbedingungen in der Pflege dem anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen.

DIE LINKE setzt sich konsequent dafür ein, den teilhabeorientierten Pflegebegriff voll umzusetzen. Das bedeutet: alle Bereiche der Pflegebegutachtung müssen bedarfsdeckend mit Leistungen hinterlegt sein. Qualitätsgesicherte soziale Arbeit gehört dazu. In regionalen Gesundheitszentren, Pflegestützpunkten, Seniorentreffs sowie in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen wird mehr gute Beratung und Alltagsunterstützung gebraucht. Daneben wollen wir mehr Fachkräfte für Sozialarbeit in allen Einrichtungen, auch in den Sozialdiensten der Krankenhäuser. DIE LINKE befürwortet einen breiten öffentlichen Dialog über die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für ein eigenständiges Profil von Sozialarbeit in der Altenpflege. Insbesondere in aufsuchender Arbeit im Vorfeld oder zu Beginn einer Pflegesituation, in der Unterstützung pflegender Angehöriger und in sektorenübergreifenden Versorgungssettings sehen wir Handlungsfelder.

Auch für uns GRÜNE ist Interdisziplinarität ein wichtiges Entwicklungsziel. Eine sinnhafte Aufgabenteilung und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind elementare Bausteine, um den Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft angemessen zu begegnen. Wir sehen ein Case-Management als geeigneten Schritt, um Pflege- und Unterstützungsbedarfe adäquat zu erheben, Pflegebedürftige und Angehörige zu informieren, zu beraten und dabei zu unterstützen, die Versorgung zusammenzustellen und zu organisieren. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Professionen kann in diesem Bereich sehr gewinnbringend für kommunale Versorgungsnetze sein.

8. Frage: Asylverfahrensberatung

In der Asylverfahrensberatung werden strenge Vorgaben an freie Träger gerichtet. Die Fehlerquote von Entscheidungen des BAMF liegt z. T. nachweislich bei über 50% und z.T. übernimmt das BAMF selbst die sog. unabhängige Asylverfahrensberatung. Wie planen Sie die unabhängige Asylverfahrensberatung?

Wir haben in Deutschland eine freiwillige, unabhängige, staatliche Asylverfahrensberatung (AVB) etabliert. Dabei soll sichergestellt werden, dass Asylsuchende über den Ablauf und den Inhalt des Asylverfahrens informiert sind und in dessen Verlauf beraten und unterstützt werden. Für uns als CDU und CSU ist es wichtig, dass Asylsuchende die Verfahren und Verfahrensschritte verstehen, ihre Rechte und Pflichten effektiv wahrnehmen und Handlungsoptionen einschätzen können. An diesem Beratungsverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wollen wir grundsätzlich festhalten und haben dies auch gesetzlich in § 12a des Asylgesetzes verankert. Zusätzlich ist hier verankert, dass alle Asylsuchende in Einzelgesprächen eine individuelle Asylverfahrensberatung erhalten können, die nicht nur über das Bundesamt, sondern auch durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt werden kann. An dieser grundsätzlichen Systematik wollen wir festhalten.

Wir wollen gründliche und sorgfältige Asylverfahren. Es soll schnell und rechtssicher entschieden werden, wer in Deutschland Schutz bekommt. Wir haben in dieser Wahlperiode bereits in einem ersten Schritt eine Asylverfahrensberatung gesetzlich verankert. Allerdings wollten und wollen wir eine flächendeckende und von staatlichen Strukturen unabhängige (von Wohlfahrtsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen bereitgestellte) Asylverfahrensberatung umsetzen. Daran halten wir fest. Die unabhängige Asylverfahrensberatung kann einen Beitrag dazu leisten, richtige Entscheidungen zu erhalten und die Klagequote zu senken. Sie hilft dabei, dass alle relevanten Informationen schon zu Beginn des Verfahrens auf den Tisch kommen. Dafür benötigen die Wohlfahrtsverbände Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen sowie eine angemessene Ausstattung mit Räumlichkeiten, Sach- und Personalmitteln.

Wichtig ist, dass jeder Asylsuchende den optimalen Zugang zu entsprechenden Informationen hat. Für uns Freie Demokraten ist das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte unantastbar. Dazu gehört auch die politische Verfolgung aus religiösen Gründen oder aufgrund der sexuellen Identität. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sollten keine langwierigen Verfahren durchlaufen. Wir wollen weniger Bürokratie, schnellere Verfahren und klarere Regeln. Dabei wollen wir zwischen politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern unterscheiden. Für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge wollen wir einen eigenen unbürokratischen Status schaffen - einen vorübergehenden humanitären Schutz, der auf die Dauer des Krieges begrenzt ist. Nach Identitätsfeststellung soll dieser Status unkompliziert verliehen und damit das Asylsystem massiv entlastet werden. Kriegsflüchtlinge sollen dabei nach Beendigung des Krieges in der Regel in ihr Heimatland zurückkehren. Die Kompetenzen von Bund und Ländern sollten klar getrennt werden. Der Bund sollte für alle Fragen des Schutzstatus und der Beendigung des Aufenthaltes einschließlich der Abschiebung zuständig sein, damit sich die Länder auf die Aufgabe der Integration konzentrieren können. Besonders vulnerable Gruppen, zum Beispiel Verfolgte aus religiösen Gründen oder aufgrund sexueller Identität, brauchen sichere Verfahren und eine sichere Unterbringung sowie im Fall sogenannter sicherer Herkunftsländer eine besondere Rechtsberatung, um Anträge form- und fristgerecht stellen zu können.

Wie sich aus Anfragen der Fraktion DIE LINKE ergibt (zuletzt Bundestagsdrucksache 19/28109), erwies sich im Jahr 2020 fast ein Drittel aller gerichtlich überprüften Asylbescheide als rechtswidrig, bei afghanischen Flüchtlingen lag diese Fehlerquote sogar bei 60 Prozent. Statt die bewährte unabhängige Beratungsstruktur auszubauen, wurde zuletzt eine nur eingeschränkte Verfahrensberatung durch das BAMF selbst flächendeckend realisiert. Das ist fatal, denn die behördliche Beratung kann das unabhängige Beratungsangebot in keiner Weise ersetzen. Viele wichtige Beratungsleistungen sind den BAMF-Beratenden rechtlich untersagt, den Geflüchteten gegenüber erscheinen sie in keiner Weise als neutral und staats-unabhängig (siehe hierzu im Detail Anfragen der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksachen 19/25337 und 19/19535). Nach unserer Auffassung sollte das BAMF nur über das Asylverfahren an sich und über behördliche Abläufe informieren. Wir fordern eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung durch Wohlfahrtsverbände und Vereine, die öffentlich finanziert sein muss. Pauschale Asyl-Widerrufsprüfungen darf es nicht geben. Die Qualität der Asylprüfung und internen Kontrolle muss deutlich verbessert werden, um die Vielzahl der rechtswidrigen und fehlerhaften Bescheide des BAMF wirksam zu reduzieren.

Wir GRÜNE wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet sind und eine Entscheidung in angemessener Zeit erfolgt. Dafür muss die Identifizierung besonderer Schutzbedarfe vor der Anhörung erfolgen. Insbesondere die Berücksichtigung erlittener geschlechtsspezifischer Verfolgung und die dazugehörige Beratung im Asylverfahren sind zu gewährleisten. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den Aufenthaltstitel kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben. Dazu gehören eine ausreichende personelle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Wir wollen eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der Ankunft bis zum Abschluss des Asylverfahrens, sicherstellen.