Finanzielle Belastungen nach der Krebsbehandlung: Daten auf dem Deutschen Krebskongress vorgestellt
Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebsneuerkrankungen in Deutschland. Daten aus zertifizierten Darmkrebszentren zeigen, dass ein Viertel der Patient*innen ein Jahr nach der Erkrankung von finanziellen Schwierigkeiten berichtet. Betroffen sind insbesondere Menschen mit fortgeschrittener Erkrankung und ohne Hochschulreife. Die Ergebnisse wurden gestern auf dem Deutschen Krebskongress (DKK) in Berlin vorgestellt. Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) spricht sich für ein frühzeitiges Screening von Krebsbetroffenen zu finanziellen Mehrbelastungen aus.
Die DKG befragte in 119 zertifizierten Darmkrebszentren mehr als 5.400 Patient*innen zu ihren finanziellen Belastungen vor und zwölf Monate nach der Therapie. Von den mehr als 4.500 Patient*innen, die vor Beginn ihrer Darmkrebsbehandlung keine finanziellen Schwierigkeiten hatten, berichtete zwölf Monate später etwa 25 Prozent von finanziellen Problemen aufgrund der Krebserkrankung. Die Forschungsgruppe hat sich die klinischen und soziodemografischen Eigenschaften dieser mehr als 4.500 Befragten genauer angeschaut: „33 Prozent der Krebspatient*innen mit fortgeschrittener Erkrankung gaben an, ein Jahr nach Therapie finanzielle Probleme zu haben, bei Betroffenen mit niedrigeren Tumorstadien waren es 20 Prozent. 27 Prozent der Patient*innen ohne Hochschulreife berichteten ein Jahr nach der Therapie von finanziellen Schwierigkeiten, bei denjenigen mit Hochschulreife waren es 22 Prozent. 26 Prozent der Männer gaben neue finanzielle Schwierigkeiten nach einem Jahr an, bei Frauen waren es 23 Prozent. Das Medianalter derjenigen, die angaben, nach der Therapie finanzielle Schwierigkeiten zu haben, liegt bei etwa 66 Jahren und bei denjenigen ohne finanzielle Probleme bei 72 Jahren“, fasst Dr. Nora Tabea Sibert von der DKG die Details zusammen. Sie stellte die Befragungsergebnisse auf dem DKK vor.
Die Gründe für die finanziellen Schwierigkeiten sind sehr vielschichtig und lassen sich schwer verallgemeinern. Festzuhalten ist aber, dass Krebs eine komplexe und häufig langwierige Erkrankung ist, die die Betroffenen anfällig für finanzielle Belastungen machen kann. „Die meisten Krebserkrankungen betreffen unterschiedliche Organsysteme und gehen auch nach der Therapie mit einer Vielzahl an körperlichen und psychischen Einschränkungen einher. 40 Prozent der Studienpatient*innen gaben ein Jahr nach ihrer Darmkrebsbehandlung an, unter chronischer Erschöpfung (Fatigue) zu leiden. Auch Polyneuropathien, die zu Taubheitsgefühlen in den Gliedern führen können, und Einschränkungen des Gedächtnisses können auftreten“, sagt Sibert. Dies kann etwa den Wiedereinstieg in den Beruf erschweren, zu einer Umschulung oder einer Frühverrentung führen. Auch während der Therapie erfahren viele Patient*innen finanzielle Einschränkungen. Nach sechs Wochen Lohnfortzahlung erhalten Betroffene im Anschluss Krankengeld. Das beträgt 70 Prozent des Bruttogehaltes, allerdings höchstens 90 Prozent des regelmäßigen Nettogehaltes. Von den 70 Prozent des Bruttogehaltes werden noch Beiträge für die Sozialversicherung abgezogen.
Auf dem DKK wurde von der Forschungsgruppe zudem ein Screening für finanzielle Mehrbelastung vorgestellt. „Patient*innen, die hierfür ein erhöhtes Risiko haben, sollten frühzeitig identifiziert und informiert werden, damit sie vorhandene Unterstützungsangebote rechtzeitig wahrnehmen können. Wir müssen dies im onkologischen Behandlungspfad stärker und auch systematischer integrieren. Dafür wäre das vorgestellte Screening geeignet“, so Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der DKG. PD Dr. Simone Wesselmann, Abteilungsleiterin Zertifizierung bei der DKG ergänzt: „In zertifizierten Zentren wird bereits ein psychoonkologisches Screening eingesetzt, hier haben wir gute Erfahrungen gemacht, da Patient*innen in den Zentrumsstrukturen niedrigschwellig erreicht werden und ihr psychoonkologischer Unterstützungsbedarf frühzeitig erfasst wird. Die Zentrumsstrukturen bieten sich also auch gut für ein Screening zur finanziellen Mehrbelastung an.“
Diejenigen mit einem besonders hohen Risiko könnten dann etwa an die psychosozialen Angebote der 16 Landeskrebsgesellschaften oder an den Sozialdienst des zertifizierten Zentrums verwiesen werden. So werden sie rechtzeitig aufgefangen und können Hilfsangebote in Anspruch nehmen.
Die Befragung in zertifizierten Darmkrebszentren ist Teil der seit 2018 laufenden Studie „Ergebnisqualität bei Darmkrebs: Identifikation von Unterschieden und Maßnahmen zur flächendeckenden Qualitätsentwicklung" (EDIUM). EDIUM hat das Ziel, Aussagen zur Versorgungsqualität in zertifizierten Darmkrebszentren unter Berücksichtigung der Patient*innenperspektive zu treffen. Aus den Ergebnissen können Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung abgeleitet werden.